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Es war ein herrlicher Herbsttag Ende September, an welchem ich nach entspannter Zugfahrt ab Berlin aus dem Bahnhof hinaus in die Stadt trat, die für die kommenden Monate mein Zuhause und Studienort werden sollte. Eindrucksvoll begrüßte mich sogleich der prächtige Palast der Kultur und Wissenschaften, welcher mit seinem sozialistischen Klassizismus aus der übrigen Kulisse einer mitteleuropäischen Metropole mit ihren üblichen Bürotürmen und Einkaufszentren herausstach.
Nachdem ich mich natürlich vom erstbesten Taxifahrer hatte über den Tisch ziehen und in die Altstadt fahren lassen, bezog ich dort ein Hostel, wo ich die erste Zeit bis zur Bezugsfertigkeit meiner späteren Wohnung wohnte. Ausgehend von dort unternahm ich in den folgenden Tagen ausgedehnte Spaziergänge durch die nicht ganz historische Altstadt, welche, nachdem sie 1944 der deutschen Barbarei zum Opfer fiel, von den Warschauern wiederaufgebaut worden war. In den verwinkelten Gassen zwischen den prunkvollen Häusern und in den altehrwürdigen und zahlreichen Kirchen ließen sich allenthalben Spuren der reichen Kultur und der doch auch so tragischen Geschichte der Stadt und des Landes finden, über deren Grundzüge mir zumindest etwas Wissen anzulesen ich in den vielen Cafes versuchte.


Palast der Kultur

Unterbrochen durch Informationsveranstaltungen der Universität und diverse sehr gut organisierte Ausflüge mit der European Student Network Sektion der Uni Warschau in die facettenreiche Club- und insbesondere Kneipenwelt Warschaus, verging so die erste Zeit bis zum Beginn der Vorlesungen und auch darüber hinaus.




Bei der Wahl meiner Vorlesungen und im Umgang mit dem für Jurastudierende ungewohnten Bachelor-System wurde ich ebenfalls wunderbar von den Koordinatoren der Universität unterstützt, so dass ich nach kurzer Zeit einen ansehlichen Stundenplan vor mir hatte, welcher zu meiner großen Freude nicht bloß juristische Fächer enthielt, sonder mich auch in politikwissenschaftliche Themen hineinschnuppern lässt. Es dauerte dann jedoch noch einige Wochen (Monate), bis alle meine Kurse auch korrekt in das Onlinesystem eingetragen waren, welches bis heute immer wieder rätselhaft und überraschend bleibt. Hiervon unbeeindruckt begann ich Anfang Oktober meine Studienzeit in Warschau. Teils aus mich selbst überraschendem Interesse, teils die doch recht strenge Anwesenheitspflicht im Nacken, besuche ich seither meine gewählten Kurse an drei verschiedenen Campus der Stadt, welche entweder fußläufig oder durch das ausgezeichnete und überaus erschwingliche öffentliche Verkehrsnetz gut erreichbar sind. Dank eines überaus großzügigen Studierendenrabatts ist auch das polnische Zugnetz sehr günstig, weshalb neben dem dann doch nicht so zeitintensiven Studieren Zeit für Ausflüge bis hinunter nach Krakau oder Katowice blieb.
Da den wenigsten meiner Kommiliton*innen das Englische die Muttersprache ist, gestalten sich die Diskussionen und Gespräche in den Vorlesungen und Seminaren hin und wieder doch etwas schwieriger, gleichzeitig wird jede Diskussion über europäisches Recht, das Völkerrecht, die historischen und soziologischen Wurzeln des Nationalismus oder all die anderen Vorlesungsthemen durch die zahlreichen Perspektiven aus der ganzen Welt ungeheuer bereichert. Gerade dieser Perspektivwechsel war mir Hauptanliegen in meiner Entscheidung ein Erasmussemester einzulegen und ich kam dahingehend bisher voll auf meine Kosten!


Die Universität.

Natürlich ist und bleibt ein Erasmussemester auch ein Erasmussemester und so lernte ich schon viel über polnisches Brau- und Brennereiwesen und schöpfe das reichthaltige lokale Angebot voll aus. Die insgesamt sehr lockere Atmospähre auf dem Campus und im vielfältigen Erasmusprogramm erlauben schnelle Kontaktaufnahme zu den lieben Kommiliton*innen aus aller Welt, mit denen man, auch das natürlich unverzichtbarer Bestandteil der Erasmuserfahrung, schon viele Abende in internationaler, bierbeseelter Eintracht verbrachte.
Ebenso wichtiger Bestandteil meines Erasmusaufenthalts wurde schnell die Arbeit mit der wiederauferstandenen Ortsgruppe der Jungen Europäischen Föderalist*innen Warschau. Angestoßen durch mit mir angekommene Erasmuskommilitoninnen war bereits nach einigen Wochen wieder eine beachtliche Gruppe zustandegekommen, hauptsächlich aus bereits in ihren Heimatländern aktiven JEF’lern bestehend, jedoch auch und zunehmend junge Warschauer*innen anziehend. Besonders erfreulichen Zulauf bekamen wir aus den Reihen des College of Europe, welches in Warschau seinen zweiten Campus in Natolin betreibt und mit dessen Studierenden wir schon einige erfolgreiche Diskussionsveranstaltungen organisieren konnten. Bester JEF-Spirit!




Ein Auslandssemester in Polen ist natürlich auch vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Lage im Land  interessant. In ihren Anfängen nach der letzten Wahl noch ausführlich in europäischen und auch deutschen Medien besprochen, spitzte sich die Verfassungskrise in den letzten Monaten, nun im Ausland merklich weniger beachtet, mehr und mehr zu. Während die Details der einzelnen Konflikte und Eskalationsstufen den Rahmen dieses Beitrags sprengen würden, ergibt sich vor Ort und auch aus dem Gespräch mit Polen ein doch durchmischteres Bild. Zwar sind die wiederholten Versuche der PiS-Regierung die Presse- und Demonstrationsfreiheit zu untergraben ohne jede Frage zu verurteilen und auch die fortschreitende Erosion des Rechtsstaates kann den Europäer*innen nicht gleichgültig bleiben. Ohne mir als Außenstehendem ein abschließendes Urteil anzumaßen, ist vor dem Hintergrund der polnischen Geschichte der letzten 200 Jahre, von den Teilungen über den kurzen Silberstreif der Zweite Republik hin zu deutscher Barbarei und sowjetischer Unterdrückung, eine nationalbezogenere Sichtweise vieler Polen auf die aktuellen Herausforderungen unseres Kontinents jedoch nicht gänzlich unnachvollziehbar.

Meine Zeit in Warschau war bisher also eine überaus schöne und voll mit neuen Eindrücken und Perspektiven auf Polen, Deutschland, Europa und die Welt und es wird mit einer Träne sein, dass ich Stadt, Bier und Leute nach der mir nun bevorstehenden Klausurenphase wieder Richtung Leipzig verlassen werde.





 

Nick - Erkundet Mitteleuropa

Ist 1993 geboren, kommt aus Berlin und 
studiert Jura an der Universität Leipzig.
 Für sein Erasmus Semester ist er nach Warschau (Polen) 
an die Universität Warschau gegangen.
 


Warschau – Erasmus im Herzen von Polen